Bildungssystem in Deutschland

27.11.2019 20:39
#1 Bildungssystem in Deutschland
Bi

Aus aktuellem Anlass dazu mal ein Video



Die Zahlen und wie viele Abiturienten es inzwischen gibt ist wirklich sehr interessant. Ist man denn nun ohne Abi dumm? Definitiv nicht, aber ich denke ohne Abitur gestaltet sich die Arbeitssuche als schwierig.


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28.11.2019 08:53
#2 RE: Bildungssystem in Deutschland
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Mal wieder ein interessantes Video

"Wir werden seit 20 Jahren nicht mehr schlauer sondern dümmer."
"Abi ist heute leichter als früher."
hätte ich Euch aber auch ohne diese Studien sagen können.

Das Problem der Überbewertung des Abiturs, bzw. Abwertung anderer Abschlüsse und dadurch Flucht an die Gymnasien bereitet uns schon seit Jahrzehnten Probleme.
Wir suchen heute häufig mehr billige Arbeitskräfte als Fachkräfte, auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird und es natürlich Ausnahmen gibt.
Wie man damals mit einer Verkürzung der Schulzeit, den Leuten mehr beibringen wollte, konnte mir bis heute keiner der Befürworter plausibel erklären.
"Straffer unterrichten kann ich auch ein Jahr länger und dabei mehr vermitteln.

An Schulen versucht man z. B. durch Partizipation (manchmal leider verwechselt mit Kindern allein lassen) seit einigen Jahren selbstständig handelnde und denkende Erwachsene zu schaffen, die sich nach ihren individuellen Möglichkeiten und Interessen möglichst in ihrem Sinne entwickeln.

Die meisten Arbeitgeber und auch einige Universitäten erwarten aber, wenn sie ehrlich sind, das genaue Gegenteil.
Dort herrschen plötzlich wieder eine ganz andere Hierarchie, Erwartungshaltung oder Frontalunterricht, womit die jungen Erwachsenen erst einmal klar kommen müssen, was nicht mit einer intellektuellen Überforderung selbstherrlich verwechselt werden darf.
Da hinkt die Praxis der so schönen Theorie weit hinterher bzw. ist letztere eher aufgesetzt, um das eigene Gewissen zu beruhigen.
Man will angeblich konstruktive und kritische Mitglieder der Gesellschaff schaffen, hat aber selber Angst solchen Menschen als Studenten oder Auszubildenden/Arbeitnehmern zu begegnen.
Inoffiziell bzw. primär an die Dozenten gerichtet, wird an meiner FH von oberster Stelle die Meinung vertreten, sie sei dafür da, den privaten und staatlichen Unternehmen verwertbares Arbeitsklientel zu beschaffen.
Alles andere, was man den Leuten sonst so an ruhmreichen Legenden des Menschseins erzählt hat, ist mal wieder ganz nach (angeblich) Adenauer "Geschwätz von gestern, was niemanden mehr interessiert".
Wir fordern eine politisch interessierte und engagierte Jugend, schimpfen aber zeitgleich über Greta und für Gehör und Zukunft (und auch noch während der Schulzeit ) demonstrierende Schüler.
Doppelmoral ich hör dir trapsen.

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Hinzu kommt natürlich wieder eines meiner "Lieblingsthemen", das es durchaus für die Zukunft Probleme bereiten kann, wenn sich Menschen hauptsächlich nur noch über WhatsApp unterhalten, nicht nur weil es Situationen im Leben gibt, bei dem es durch aus ein Zeichen von Empathie oder erforderlicher Verantwortung sein kann, mal nicht hauptsächlich mit seinem Smartphone beschäftigt zu sein.

Wenn ich mir Probleme anderer Menschen anhöre und dabei kontinuierlich auf mein Display starre oder Nachrichten abrufe, hat das wohl eher nichts mit Multitasking zu tun.
Erstaunlich was wir da auf diesem Gebiet so alles an neuen physischen und psychischen Krankheiten erzeugt haben.
Abhilfe schaffen wir nicht durch Aufklärung und Alternativen, sondern Ampeln, die man auch bei gesenktem Kopf erkennen können und Medikamenten.

Ist es wirklich so sinnvoll, "hyperaktive Kinder" in unserer Gesellschaft neben den realen auch noch künstliche zu schaffen, um sie dann mit Ritalin wieder "lern- und gesellschaftsfähig" zu dröhnen anstatt uns vorher mit ihnen ausreichend und so weit es geht Augenhöhe mit ihnen zu beschäftigen ?


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28.11.2019 09:28
#3 RE: Bildungssystem in Deutschland
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Zitat von Tumbraider im Beitrag #2
An Schulen versucht man z. B. durch Partizipation (manchmal leider verwechselt mit Kindern allein lassen) seit einigen Jahren selbstständig handelnde und denkende Erwachsene zu schaffen, die sich nach ihren individuellen Möglichkeiten und Interessen möglichst in ihrem Sinne entwickeln.

Davon kann ich ein Lied singen. In der Theorie ist selbstständiges Lernen ja ganz gut und es gibt sicherlich das ein oder andere Schulfach, in dem diese Methode sinnvoller ist als Frontalunterricht. Mein Fachabi habe ich wegen genau diesem Blödsinn damals (so vor 10 Jahren) erst im zweiten Anlauf geschafft. Ich war in einer Laptop-Klasse, was damals noch ein Pilotprojekt war, aber die meisten Lehrer haben schon zum Anfang der Stunde "Laptops wegpacken!" gesagt. Dabei sind Laptops für selbstständiges Lernen gute Werkzeuge: Je nach Thema den Schülern den Auftrag geben, etwas zu recherchieren und sie dann am Ende der Stunde nach ihren Ergebnissen fragen. Aber kaum ein Lehrer hat das so gemacht. Bis auf den Mathelehrer. Dabei ist ausgerechnet Mathe ein Fach, in dem selbstständiges Lernen eine ganz schlechte Idee ist. Der Lehrer hatte uns so gut wie nichts erklärt und uns 100-seitige Skripte gegeben, die wir dann selbst durcharbeiten sollten. Komplett ohne jede Angabe, wann wir bei welcher Aufgabe sein sollten oder Erklärungen zum jeweils neuen Thema. Also in etwa so, als würde man studieren und nie zu den Vorlesungen und Übungen gehen, sondern alles komplett durch das Skript lernen. Ab und zu hat er dann zwar doch mal was erklärt, aber in der Regel so knapp und vage, dass ich absolut nicht durchgeblickt hatte. Dabei war Mathe seit jeher ein Fach, das mir zwar nicht viel Spaß gemacht hat (das hat sich inzwischen auch geändert und das Lösen mathematischer Formeln macht mir inzwischen ein bisschen Spaß, aber welches ich trotzdem gut beherrscht habe. Wahrscheinlich nicht überraschend, dass ich mein Fachabi wegen diesem verantwortungslosen Einsatz von "selbständigem Lernen" nicht geschafft habe. Bzw. hätte ich es wahrscheinlich schaffen können, aber dann mit einer sehr schlechten Note, also bin ich lieber freiwillig durch die Prüfungen gefallen, um noch einen Versuch starten zu können, das zweite mal dann nicht in einer Laptop-Klasse und mit einem anderen Mathelehrer.

Zitat
They wrote a script for Lord of the Rings and ended up having to perform it with finger puppets. A game that fails due to overambition is still better than a game that fails because it's beep-boop committee-designed sludge coughed out by a corporation staffed by robots. At least ambition implies that you have some kind of soul, rather than a CPU with fistfuls of money stuffed into it.
- Yahtzee


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28.11.2019 14:41 (zuletzt bearbeitet: 28.11.2019 14:42)
#4 RE: Bildungssystem in Deutschland
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Ich bin auch das erste Mal völlig freiwillig durchs Abi gefallen.
Hatte trotz guter Vorbenotung beide Leistungskursklausuren in den Sand gesetzt, was damals nicht mehr durch andere Prüfungen zu kompensieren war.

Ein Problem was wir in der Erziehung und Bildung haben ist, das die Lehrkräfte selber ja noch anders "gross" wurden, also das Lernsystem was sie vermitteln sollen, selber nie oder anders erfahren haben.

Nicht wenige sogar Fachkräfte wissen überhaupt, was Erziehung und Bildung verbindet und unterscheidet.
So mancher lehnt eine "Erziehung" seiner Schüler erbost ab, weil ihm der Begriff zu negativ unterlegt zu sein scheint, wohl auch, weil er die genaue Bedeutung gar nicht kennt.
Wer Schwierigkeiten bei den "Basics" hat, bekommt wohl meist auch Schwierigkeiten komplexe Gebilde zu verstehen und anzuwenden.
Manche Theorien sind aber leider auch so in sich verwickelt und jeder meint noch etwas draufsetzen zu müssen, das sie sich zwar hervorragend für Vorlesungen, Fortbildungen, Fachkongresse und gehobene Literatur eignen, aber praktisch nicht mehr umgesetzt werden können, auch, weil sich die Gesellschaft und damit auch die Anforderungen an die Erziehung und Bildung fortlaufend ändern.
Zum anderen tuen wir uns gerade bei Kindern und Jugendlichen verdammt schwer, auch einmal vielleicht gemachte Fehler einzugestehen oder nicht alles im Voraus korrekt vorhergesehen zu haben.

"Versagen" unsere Kinder "übersehen" wir gerne daran einen potentiellen Eigenanteil und schieben es auf das (Bildungs)system, die Lehrkräfte im Speziellen, Abusus von Smartphones , Minderheiten oder die Kinder selber.
Entweder predigen wir dann wieder von den guten alten Zeiten, als Strenge noch ein probates Mittel war oder versuchen noch mehr den individuellen Bedürfnissen (zumindest in der Theorie) gerecht zu werden.
Das ganze ist längst zum sogenannten Politikum geworden, mit denen wir unsere Möglichkeiten beschneiden und oft nicht mehr die Betroffenen selber im Mittelpunkt stehen.


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28.11.2019 20:25
#5 RE: Bildungssystem in Deutschland
Bi

Och ja dieses ewige alleine machen und alleine den Weg finden... Das ist bei uns im Lande ein sehr großes Thema. Du sollst alleine lernen, du sollst dir Mathe selbst beibringen, du sollst in die Schuhe Einsteins treten und die Relativitätstheorie selbst herleiten... Wenn du nichts alleine kannst, bist du dumm. Dieses Gefühl wird in diesem Land leider vermittelt.

Natürlich muss man viele Dinge alleine können, aber wieso werden Lehrer ausgebildet, die uns anstatt Mathe beizubringen mit solchen Phrasen um sich werfen wie "Mach alleine!" oder "Das ist doch einfach" Zum Kotzen sowas, sorry.

Wieso wird man überhaupt Dozent oder Lehrer, wenn einem die Arbeit mit Kindern oder jungen Erwachsenen nicht Spaß macht? Weil Lehramt jeder Trottel studieren kann? Liegt es daran? Aus meiner gesamten Schullaufbahn kann ich an einer Hand ablesen, wie viele Lehrer es gab, die WOLLTEN, dass die Schüler lernen und wo die Schüler Spaß hatten. Bei allen anderen war es eine Qual.

Im Studium macht man eigentlich dasselbe durch. Nur wird hier ein Dozent nicht mit einem Lehrer gleichgestellt. Wieso nicht? Und wieso sind Vorlesungen meistens so bescheuert trocken?

Es sollten wirklich nur Leute lehren dürfen, die nicht nur auf Papier schlau sind und den Dr. rer. nat. mat. fat. mat. schach. Titel haben, sondern die wirklich Spaß an dem Job haben.

Meiner Erfahrung nach haben die meisten einfach keinen Spaß an ihrem Job als Lehrer. Der Job ist nur cool. Man hat Ferien wie die Kinder, Arbeitszeiten wie die Kinder, ist doch toll.

Dabei brauchen wir Vorbilder, die uns animieren eine bessere Zukunft zu gestalten. Wir brauchen Mentoren, denen wir vertrauen können, die auch gewillt sind, ihr Wissen weiter zu geben und nicht einfach nur den Job machen, weil es ihr Job ist.

Hat's jemand durchgelesen. Wurde lang, sorry.


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28.11.2019 21:16
#6 RE: Bildungssystem in Deutschland
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Zitat von Biohazard im Beitrag #5
Hat's jemand durchgelesen. Wurde lang, sorry.

Ich lese hier nie andere Beiträge, das macht das antworten leichter.

Partizipation ist ja auch anders gemeint.
Schüler sollen wie der Name schon sagt, an den Lernprozessen und Wirken teilhaben aber natürlich nicht alles alleine machen.

Sie sollen mitbestimmen und dadurch eigenständig werden, aber natürlich mit Unterstützung der Lehrkräfte und nicht ohne sie.

Sie sollen durch gemeinsames Herausarbeiten von Regeln ein Gefühl für notwendige Strukturen erhalten und Wünsche und eigene Vorstellungen artikulieren können und nicht stupide Anweisungen befolgen.

Und ganz wichtig:
Sie sollen lernen sich in Foren gepflegt und frei artikulieren zu können, aber natürlich dennoch stets auf die älteren Benutzer hören.


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