Angelas Tagebuch

22.07.2019 14:41
#1 Angelas Tagebuch
avatar



11.08.2005:

Heute habe ich die Bilder gesehen.
TerraSave hat ein paar Bilder auf ihrer Homepage gepostet, Fotos von Opfern, die bei WilPharmas klinischen Versuchen in Indien gestorben sind.
Warum waren sie so grausam? Und warum hat sie niemand aufgehalten, bevor all diese armen Menschen getötet wurden?
Offensichtlich hat man hier die Grenzen des für klinische Studien Erlaubten ignoriert.
Wenn das alles wahr ist, werde ich WilPharma niemals verzeihen, auch wenn sie eine gesetzliche Genehmigung für ihre Gräueltaten hatten.
TerraSave hat auch gedroht, dass falls die Regierung keine Untersuchung einleiten und hart ins Gericht mit WilPharma gehen würde, sie sich direkt an das Internationale Strafgericht wenden würden.

Liebes.
Ich denke, ich hätte deinem Vater besser zuhören sollen...
Besonders wenn er über WilPharma gesprochen hat. Ich hätte...
Ich muss die Wahrheit herausfinden.
Warum hat WilPharma entschieden, ihre klinischen Tests in Indien durchzuführen?
Warum haben sie all diese schrecklichen Dinge getan?

15.08.2005:

Heute hat mich der Chief gebeten, ihn zum Mittagessen zu begleiten. Anscheinend hat ihm jemand erzählt, dass ich mich mit WilPharma beschäftige. Ich wusste, dass das passieren würde.
Seit dein Vater wegen des Einbruchs in WilPharmas Hauptsitz verhaftet wurde, scheinen sie nicht mehr glücklich mit mir zu sein. Ich kann natürlich verstehen, dass es einem Polizisten nicht angenehm ist, die Schwester eines Kriminellen als Kollegen zu haben. Bisher habe ich ihre unreifen Kommentare darüber einfach ignoriert.
Aber das wird sich ändern, falls dieses Benehmen mein persönliches Problem übersteigt und meine Männer da hineingezogen werden, was ich nicht zulassen kann.

Als sie noch in meinem Team waren, sagten sie immer, sie würden auf eine Beförderung verzichten, und dass es gut sei, wie es ist. Aber je höher der Rang, desto mehr Geld bekommst du. Sie alle haben eine Familie zu ernähren und würden hierüber sicher nicht begeistert sein.
Ich hätte ihnen ihre Liebenswürdigkeit niemals glauben dürfen, niemals.
Damals hatte sich Curtis gegen WilPharma gestellt. Er hatte etwas Verdächtiges über ihre Forschungen herausgefunden und wollte das veröffentlichen.
Wenn es nur das war, denke ich nicht, dass er einen Fehler begangen hat, sogar jetzt noch.
Aber ich muss zugeben, dass Curtis eine Grenze überschritten hat.
Auch wenn es schwer zu akzeptieren ist, seine Verhaftung war rechtmäßig und angemessen.
Wenn ich hierbei nicht ganz klar zwischen richtig und falsch entscheiden könnte, habe ich nichts mehr in diesem Job verloren.

19.08.2005:

Die Entwicklung eines neuen medizinischen Präparates kostet eine Menge Geld und Zeit.
Die Forscher müssen verschiedene Chemikalien miteinander mischen und immer wieder an Tieren ausprobieren.
Für klinische Studien darf es erst verwendet werden, wenn die Sicherheit garantiert ist.
Um die zehn Milliarden Dollar und 10 Jahre Zeit werden investiert, um letztendlich mehr Profit zu machen.
Doch es gibt einige finanzielle Risiken.
Je niedriger die Risiken, desto besser.
Zur Reduzierung der Risiken versucht man, Entwicklungszeit und -kosten so gering wie möglich zu halten.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Politik ist es, klinische Studien im Ausland durchzuführen. Vor allem in Asien.
Die Arbeitskraft dort ist günstig und zufriedenstellend, und man hat viel mehr Mitarbeiter zur Verfügung.
So hat es ein Unternehmen auf ihrer Homepage als Begründung gepostet.

Aber nicht nur WilPharma führt ihr Unternehmen auf diese Weise, viele andere pharmazeutische Firmen tun dasselbe.
Daran wird sich nichts ändern, auch wenn es zukünftig noch mehr Tote bei zahllosen weiteren klinischen Studien gibt.
Da viele andere Unternehmen ebenfalls klinische Tests durchführen, sind auch sie von einem Vorfall wie dem bei WilPharma betroffen, weshalb es in ihrem eigenen Interesse liegt, Stillschweigen darüber zu bewahren.
Und weil es so viele Firmen tun, können wir nicht allein WilPharma die ganze Schuld zuschieben.

Curtis... Ich bin sicher, dass er immer noch auf etwas drängt...
WilPharma schweigt noch immer hartnäckig. Dieses Ereignis war nicht einmal ein Gesprächsthema bei den Einwohnern und wird bald ganz in Vergessenheit geraten.

23.08.2005:

Heute sind ein paar Leute verhaftet worden.
Sechs College-Studenten, die aus dem Osten hierher gekommen waren, unternahmen einen Protestversuch und erhoben Anschuldigungen gegen WilPharma, wurden aber bei ein paar Drinks mit einem Schreiner in ein Streitgespräch verwickelt, welches in einem Faustkampf endete.
Dieser Ort ist anders als die großen Städte. Es mag diesen Studenten unfair vorkommen, aber WilPharma in dieser Stadt anzuklagen, ist keine gute Idee.
WilPharma wird von den Einwohnern hier verehrt und nicht kritisiert. Diese Firma brachte Hoffnung und Wohlstand in die kleine alte Stadt, als sie vor zehn Jahren dem Untergang nahe war.
Ohne WilPharma wäre die Wirtschaft in dieser Stadt niemals so leistungsfähig geworden. WilPharma hat einen enormen wirtschaftlichen Einfluss auf diese Stadt.

Aber es gibt hier auch ein paar unverbesserliche Idioten wie Davis, der vermutlich als Vertreter dieser Stadt und seiner Einwohner auserwählt wird, bei der Wahl in D.C. teilzunehmen.
Diese Stadt hat sich verändert, heute ist alles anders als damals, als ich und dein Vater Kinder waren.
Curtis, wo bist du jetzt?

26.08.2005:

Heute habe ich keinen Dienst, also bin ich nach D.C. gekommen.
Über die Empfehlung eines alten College-Freundes habe ich einen Mann getroffen, der Forscher und verantwortlich für die Entwicklungsabteilung eines Pharmaunternehmens ist.
Laut ihm ist die Wahrscheinlichkeit massiver Nebenwirkungen bei klinischen Studien wie im Fall WilPharma sehr gering. Aber er konnte nicht abstreiten, dass es passieren kann.
Tatsächlich hatte sich ein mysteriöser Vorfall während seiner jungen Jahre als Forscher ereignet, wobei es offenbar auch einen Todesfall bei Versuchen gegeben hatte.
Er zögerte und ich erzählte ihm keine weiteren Details über den Fall, habe statt dessen das Thema gewechselt.
Obwohl es nur eine ganz beiläufige Bemerkung war, dass das Mittel, das sie zum Zeitpunkt des mysteriösen Vorfalls getestet hatten, heute vermutlich in Apotheken verkauft wird, verzog er sein Gesicht zu einem bitteren Lächeln.

WilPharma und dieser Vorfall waren anscheinend zu einem Thema geworden, über das die pharmazeutische Industrie oft sprach.
Wenn noch so ein ernster Vorfall wie dieser an die Öffentlichkeit dringt, wird dies ein verhängnisvoller Schlag gegen das gesamte Unternehmen sein, das ist WilPharma zweifellos bewusst, aber es musste noch einen anderen Grund für ihr anhaltendes Schweigen geben.
Inzwischen macht unter den Einwohnern das Gerücht die Runde, dass WilPharma einen geheimen Vertrag mit dem Pentagon unterzeichnet hat. Aber das ist letztendlich nur ein Gerücht, ich habe nichts weiter darüber gehört.

27.08.2005:

Da es schon eine ganze Weile her war, seit ich das letzte Mal in D.C. war, schaute ich in Katohs Bar vorbei.
"Diese Bar ist wie eine Kerze im Wind", beschwerte er sich in seinem schlechten Englisch. Er hat sich nicht verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe.
Aber ich habe einen ziemlich interessanten Mann in dieser Bar kennengelernt.
Er und seine Familie sind aus Mexiko, und dem Anschein nach Millionäre. Stolz hat er mir davon berichtet, dass er bereits 132 Länder bereist hat.
Er hat hier einen Job als Fahrer gefunden, wobei er irgendwo abgestellte Mietwagen zu den entsprechenden Autovermietungen zurückbringen muss. "Ich werde dafür bezahlt, überall in den Staaten herumzureisen", sagte er.
Einer plötzlichen Eingebung folgend fragte ich ihn, ob er deinem Vater irgendwo begegnet wäre, und er antwortete geradeheraus und ehrlich mit "Nein."
Natürlich war er das nicht.

05.09.2005:

In den Nachrichten berichten sie nach längerer Zeit wieder über die Stadt. Sieht so aus, als würde es dieses Jahr wieder eine Gedenkfeier geben.
Jedes Jahr vor der Winterzeit wird eine Zeremonie abgehalten, um den Opfern der Katastrophe zu gedenken.
Bis heute gibt es ein Sperrgebiet von ungefähr einhundert Meilen um die Stadt herum. Eine namenlose und verlassene Stadt. Wegen des Vorfalls, der sich dort ereignet hat, werden immer noch Untersuchungen und Nachforschungen durch Regierung und Kongress angestellt.
Aber der Öffentlichkeit wurde bisher nichts mitgeteilt, nicht einmal uns Überlebenden.

Sieben Jahre sind seither vergangen.
Die Zeit vergeht, aber ich erinnere mich noch an die glücklichen Tage mit dir, als wäre es gestern gewesen, diese Gedanken werden niemals verblassen.

Heute habe ich einen Anruf von einem alten Freund bekommen.
Scheinbar hat er meine Adresse durch einen gemeinsamen Freund bekommen, nachdem ich vor ein paar Tagen aus D.C. zurückgekommen war.
Er erzählte mir, dass er jetzt Vater von drei kleinen Töchtern sei und endlich zur Ruhe gekommen war.
Wir hatten ein ziemlich langes Gespräch und er sagte, ich solle doch das Geschehene akzeptieren und mir ein schönes Leben machen, und damit anfangen, mein eigenes Glück zu suchen.
Vielleicht hat er Recht und ich habe mich nie von den Schatten der Vergangenheit befreit.
Aber wie könnte ich einfach akzeptieren was passiert ist und es überwinden, wenn ich keine Ahnung habe, was wirklich passiert ist?
Das kann ich nicht, ich kann nicht einfach so tun, als ob mir das alles nichts ausmacht.

13.09.2005:


Heute habe ich einen Immobilienmakler zu eurem Haus gebracht, um es zu begutachten.
Nichts Ungewöhnliches entdeckt.
Es ist jetzt Nacht und ich liege auf deinem Bett, in dem wir immer zusammen geschlafen haben. Das bringt wirklich eine Menge Erinnerungen zurück.

17.09.2005:

Endlich bekam ich die Gelegenheit, mit einem Mitarbeiter von TerraSave zu sprechen.
Als Curtis noch hier für sie arbeitete, war dieser Mann der Generalsekretär, Chef des Dienstbüros.
Ich konnte ihn noch nie leiden. Früher war er ein echt nerviger Kerl, der sich aufführte, als wüsste er alles.
Aber ich hoffte, er würde ein paar Einzelheiten über die WilPharma-Versuche in Indien kennen, die er mir mitteilen könnte.
Doch irgend etwas ließ ihn glauben, dass ich eine Spionin von der Harvardvill Polizei war.
Leute die sich trauten, WilPharma anzugreifen, hatten ein schweres Leben in dieser Stadt, das wusste er.
Er wusste, dass Leute, die anderer Meinung waren, in dieser Stadt nicht erwünscht waren.
Aufgrund dessen dachte er fälschlicherweise, dass der Zweck meiner Informationsanfrage bei WilPharmas größtem Gegner war, mich von meines Bruders Ruf zu befreien, indem ich versuchte preiszugeben, was ich über sie wusste, indem ich TerraSave Fragen stellte.
Am Ende konnte ich ihn nichts von all dem fragen, was ich unbedingt wissen wollte und saß einfach nur da.
Was zur Hölle machte ich da nur... ?

29.09.2005:

Heute war ich mit meinen SRT-Kameraden etwas trinken, um den neuen Kollegen willkommen zu heißen, der unserem Team gerade beigetreten ist.
Greg war betrunken und er sagte, was er immer sagt, wenn er betrunken ist.
"Was Curtis getan hat, war ein wenig übertrieben, aber er lag nicht falsch und tat das Richtige. Wenn ich einen geliebten Menschen verlieren würde, so wie er, und wüsste, dass so eine Tragödie wahrscheinlich wieder passieren wird, würde ich tun was auch immer nötig ist, um das aufzuhalten - ob ich dafür verhaftet würde oder nicht.
Und wenn der einzige Weg dahin darin liegt, den Verursacher damit zu konfrontieren, würde ich den starken Drang verspüren, zu seiner Zentrale zu gehen und Fragen darüber zu stellen, genau wie er es tat.
Auch wenn Curtis in der ganzen Stadt als hoffnungsloser Alkoholiker gilt, und mit jedem Streit anfängt, den er nicht leiden kann, erinnere ich mich an ihn als anständigen Arzt, der Leben rettete."

Nicht gerade das beste Thema, über das man vor einem Neuzugang diskutieren sollte, also führte ich es nicht fort.
Ich hatte keine Chance, mit dem neuen Mann zu sprechen, das ist ein wenig enttäuschend.
Aber ich fühlte mich gut bei dem Gedanken zu wissen, dass es jemanden gibt, der immer noch an ihn glaubt.

07.10.2005:

Heute morgen bekam ich einen Anruf von diesem TerraSave-Typ, bei dem ich neulich war.
Er erzählte mir, dass er Curtis gesehen hätte, sie wären nur kurz aneinander vorbei gelaufen, aber er war sicher, dass er es war. Er sah, wie er das Hotel Savoy in Chicago betrat.
Am Ende habe ich ihn angeschrien, dass es außer hier nichts gab, wohin er zurückkehren würde.
"Er kann doch nirgendwo anders leben, oder?"
Ich konnte nicht anders, als mir selbst die Schuld zu geben.

09.10.2005:

Curtis' Name stand nicht auf der Gästeliste im Hotel Savoy.
Aber ein Zimmermädchen erzählte mir, dass sie einen Mann gesehen hatte, der Curtis ziemlich ähnlich sah, nachdem ich ihr ein Foto von ihm gezeigt hatte. Sie sagte, dass der Mann in Zimmer 1438 gewohnt hat.
Mit dieser Information ging ich erneut zur Rezeption.
Dem Anmeldeformular konnte ich die Adresse des Mannes aus Zimmer 1438 entnehmen. Sie war in St. Louis.
Also rief ich in St. Louis an, um ein paar Fragen zu stellen, aber mir wurde klar gemacht, dass diese Adresse überhaupt nicht existiert.
Ich suche wahrlich nach einem Phantom.

23.10.2005:

Ich erhielt heute morgen einen Brief, der Absender ist ein guter Freund von dir.
Sein Name ist Forrest, erinnerst du dich an ihn?
Er hat dir geschrieben, weil er den Namen "Harvardville" gehört hat, als er die Nachrichten über den WilPharma-Vorfall hörte, und das hat ihn an dich erinnert.
Er sagt, weil sein Vater beruflich versetzt worden war, sind sie nach Chicago gezogen, ein Jahr nachdem du diese Stadt verlassen hast.
Es ist wirklich ein Jammer, dass ich nicht viel über ihn weiß.
Er schreibt, dass er davon träumt, Arzt zu werden, ein so guter Arzt wie dein Vater es war.
So wie es scheint, wird er Ende des Jahres mit ein paar Freunden auf einen Besuch hierher kommen.
Ich lese den Brief gerade wieder und wieder durch und versuche, alles andere einmal zu vergessen.
Ein Bild von dir, das ich nicht kenne, kam mir gerade in den Sinn, als ich an den Teil von dir dachte, den ich nicht kenne, weil mich das für eine Weile glücklich macht.
Jetzt gerade ist mein Herz von einem Gefühl des Glücks erfüllt.
Gute Nacht.

01.11.2005:

Davis hat heute unseren Chief aufgesucht.
Er stürmte in sein Büro, ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Er sah wütend aus.
Ich nehme an, der Zweck seines Besuchs war es, uns um verstärkte Patrouillen rund um das WilPharma-Gelände und sein eigenes Haus zu bitten.
Seit alle drei Hauptnetzwerke gestern über WilPharmas klinische Versuche berichtet haben, scheint es ein wenig unruhig in der Stadt geworden zu sein.
Ich habe das Gerücht gehört, dass TerraSave eine Massendemonstration für sehr bald plant.

07.11.2005:

Wir haben neuerdings so viele Besprechungen, eine nach der anderen.
TerraSave plant eine Protestdemonstration vor der Konferenz der amerikanischen Medizinischen Vereinigung, die in einer Woche stattfindet.
Das hat den Chief ziemlich nervös gemacht.
Aber die Stadt hat sich überhaupt nicht verändert.
Die meisten Einwohner reden immer noch nicht darüber, als ob es ihnen gar nichts ausmachen würde.
Ganz egal wie nachdrücklich die Netzwerke oder Massenmedien über diesen Vorfall berichten, es scheint gerade so, als ob das Leben der Bürger davon überhaupt nicht betroffen wäre.
Wenn die Berichte aufhören, wird es bald vorbei sein.
Deshalb ist auch der heutige Arbeitstag als Polizist reibungslos vorbei gegangen.
Gott sei Dank.
Die ganze Stadt ist friedlich, wie immer.

INFO

"Angelas Tagebuch" wurde zum CGI-Film "Resident Evil: Degeneration" veröffentlicht und ist somit Teil des Resident Evil-Kanons. Dieser Bericht wurde erneut von GunSlinger ins Deutsche übersetzt. Vielen Dank!


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!